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  • Gottfried Schüll

Großbritannien widerruft Ratifizierung des Einheitlichen Patentgerichts

C&F sieht neue Möglichkeiten für Inkrafttreten des EU-Gemeinschaftspatents

Düsseldorf, 28.07.2020 – Großbritannien hat seine Ratifizierung des Abkommens über ein Europäisches Patentgericht (EPGÜ) widerrufen. Bislang war das EPGÜ von 16 Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden. Die Ratifizierung durch Deutschland steht nach wie vor aus.

Experten schätzen, dass die Haltung Großbritanniens keinen Einfluss auf ein Inkrafttreten des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) haben wird. So hat noch das Bundesjustizministerium in seinem im Juni 2020 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zum EPGÜ in Bezug auf den Brexit festgehalten: „Ein Ausscheiden von Großbritannien (hat) auf die Anwendbarkeit der Regelungen zum Inkrafttreten jedenfalls deshalb keinen Einfluss, weil diese so auszulegen sind, dass ein von niemandem vorhersehbares Ausscheiden einer dieser drei Staaten (d. h. Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Anm. C&F) das gesamte Inkrafttreten für die verbleibenden Beteiligten nicht hindert.“ Auch der Deutsche Anwaltverein kommt in einer Stellungnahme zu dem Schluss, „dass das Übereinkommen durch den Brexit keineswegs entwertet“ werde. Die nun widerrufene Ratifizierung durch Großbritannien dürfte daran ebenfalls nichts ändern.

Für den Sitz der Kammern des EPGÜ waren bisher Paris, München und London vorgesehen. Für London müsste nun ein neuer Standort gefunden werden. Dieser soll allerdings erst nach Inkrafttreten des EPGÜ festgelegt werden. Bis dahin, so die Pläne der Bundesregierung und der EU-Kommission, sollen Paris und München die Aufgaben des Londoner Standorts übernehmen. Diese Aufteilung sieht unter anderem die italienische Regierung als problematisch an. Nach ihrer Auffassung stehe ihr als EU-Mitglied mit der drittgrößten Anzahl von geltenden Patenten (nach Deutschland und Frankreich) der ursprünglich in Großbritannien geplante Sitz des Patentgerichts zu. Tatsächlich ist Italien durch den Brexit in die Gruppe der drei Staaten aufgerückt, die für ein Inkrafttreten ratifizieren müssen. „Hier könnte man sogar spekulieren, ob nicht auch Italien seine Ratifizierung in absehbarer Zeit zurücknimmt, um eine bessere Ausgangsposition in den Verhandlungen des vakanten Gerichtsstandortes zu haben“, sagt Gottfried Schüll, Patentanwalt und Partner von Cohausz & Florack.

„Alles in allem zeigen die jüngsten Entwicklungen rund um das Einheitliche Patentgericht, dass jetzt wieder alles möglich ist. Die Karten werden neu gemischt“, so Schüll weiter. „Bis es aber in diesem zähen Prozess zu belastbaren Lösungen kommt, können Patentinhaber weiterhin auf die Expertise deutscher Gerichte in Patentverletzungsverfahren vertrauen.“

 

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