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  • Gottfried Schüll

EU-Anmeldestrategien für Standardessentielle Patente (SEPs) im Rahmen des UPC

Das deutsche Rechtssystem nutzen und Risiken vermeiden

Am 1. Juni 2023 geht das Einheitliche Patentgericht (Unitary Patent Court, UPC) an den Start. Für Patentinhaber kann dieses neue Gerichtssystem viele Vorteile mit sich bringen. Wer mit einem EP-Patent den Schutz durch das neue Einheitspatent (Unitary Patent, UP) beantragt, erhält Schutz in 17 EU-Ländern. Dabei sind die Kosten in etwa so hoch wie die für die vier wichtigsten Länder im bisherigen System. Die Einsparungen im Vergleich zur herkömmlichen Beantragung in allen 17 EU-Ländern belaufen sich auf einen niedrigen sechsstelligen Euro-Betrag. Zumindest für Inhaber Standardessentieller Patente (SEPs), die im Rahmen von SEP-Lizenzierungsprogrammen Gebühren nur in den EU-Ländern einnehmen, in denen ein auch Schutz besteht, ist also die Benennung eines UPs eindeutig zu empfehlen.

Das Potenzial des neuen Einheitspatents wird besonders deutlich beim Blick auf die Reichweite anhand der Bevölkerungszahl in der EU: So erstreckt sich ein UP auf circa 300 Millionen Menschen. Hierzu zählen die drei bevölkerungsreichsten EU-Länder Deutschland (84 Mio.), Frankreich (68 Mio.) und Italien (60 Mio.) ebenso wie die Niederlande (18 Mio.), Belgien (12 Mio.), Schweden (10 Mio.), Portugal (10 Mio.), Österreich (9 Mio.), Bulgarien (6,5 Mio.), Dänemark (5,8 Mio.), Finnland (5,5 Mio.), Litauen (2,8 Mio.), Slowenien (2,1 Mio.), Lettland (1,9 Mio.), Estland (1,3 Mio.) Luxemburg (0,65 Mio.) und Malta (0,52 Mio). Weitere EU-Mitgliedstaaten wie Spanien, Polen, Rumänien, Griechenland, die Tschechische Republik, Ungarn, Slowakei, Irland, Kroatien und Zypern sind dem UPC noch nicht beigetreten. Bis dies geschehen ist, sind diese Länder daher bei Beantragung eines UPs noch separat zu benennen. Sollten zukünftig alle EU-Mitgliedsstaaten dem UPC beitreten, würde sich ein UP auf etwa 450 Millionen Menschen erstrecken. Patenterteilungen in Nicht-EU-Staaten, die dem UPC nicht beitreten können, wie dem Vereinigten Königreich oder der Türkei müssen bei Bedarf ebenfalls separat beantragt werden.

Simultaner Schutz für SEPs: Kombination aus UP und DE-Patent

SEPs sind vor dem Hintergrund des UPC noch einmal gesondert zu betrachten: Bei diesen speziellen Patenten, die in zahlreichen Branchen unverzichtbare Technologien schützen, besteht eine vergleichsweise hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie in Patentverletzungsverfahren geltend gemacht werden. Für ein solches Verfahren aus einem UP heraus ist stets das UPC zuständig – dessen Praxis ist jedoch derzeit noch unbekannt. Für Inhaber von SEPs könnte dies also ein großes Risiko darstellen und sie von der Wahl eines UPs abhalten. Hier bietet sich eine Alternative an: Sie besteht aufgrund der beschriebenen Kostenvorteile eines UPs in der Anmeldung eines UP+-Patents, d. h. eines UPs plus eines identischen deutschen nationalen Patents (DE-Patents) für jedes SEP. Ein solches DE-Patent gewährleistet simultanen Schutz auf der Grundlage des deutschen Rechtssystems, das als das weltweit erfolgreichste gelten dürfte, wenn es um den wirksamen Schutz des Eigentums an Erfindungen für innovative Unternehmen geht.

Die gute Nachricht: Der deutsche Gesetzgeber ermöglicht genau diesen simultanen Schutz durch ein UP und ein völlig identisches DE-Patent. SEP-Inhaber können auf diese Weise also Risiken vermeiden, da sie auf das UPC und gleichzeitig auch auf die nationale deutsche Patentgerichtsbarkeit bauen können. Insbesondere für die regelmäßig in Verletzungsverfahren geltend gemachten SEPs ist dieser simultane Schutz also sinnvoll: Er ermöglicht die Auswahl zwischen dem Innovationsschutz durch das neu geschaffene UPC und die überaus bewährten nationalen deutschen Gerichte.

Sieben Jahre Zeit für strategische Entscheidungen

Für ein solches simultanes deutsches SEP ist es zur Kostenreduzierung möglich, das Prüfungsverfahren um sieben Jahre nach Anmeldung aufzuschieben. Die Gebühren für die Einreichung und Aufrechterhaltung einer deutschen simultanen Patentanmeldung, um den Zugang zu den nationalen Gerichten in Deutschland zu sichern, belaufen sich dann – einschließlich einer einfachen Maschinenübersetzung – auf etwa 1.000 Euro. Wird das simultane UP erteilt, können SEP-Inhaber immer noch entscheiden, ob das deutsche simultane Patent nach oder vor Ablauf der um sieben Jahre aufgeschobenen Prüfung ebenfalls zur Erteilung gebracht werden soll. In der Zwischenzeit haben sie weitere Einblicke in die Praxis des UPC bekommen, die ihnen bei der Entscheidung hilfreich sein können.

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