Open_Source_2.jpg
  • Erik Schäfer

Anreize für alle

Open Source ist Entwicklungs- und Lizenzmodell in einem. Um einen Interessenausgleich zwischen Kreativen und Verwertern zu gewährleisten, ist in vielen Fällen Kreativität gefragt.

Ob Wordpress, Open Office oder Mozilla Firefox: Fast jeder kennt und nutzt täglich Open-Source-Software. Charakteristisch für sie ist, dass ihr Code öffentlich verfügbar gemacht und dass diese frei genutzt, vervielfältigt, bearbeitet und in ihrer ursprünglichen oder auch in veränderter Form weiterverbreitet werden darf. Weniger bekannt ist aber, dass sich hinter Open-Source-Anwendungen Lizenzen verbergen (siehe auch Artikel in creativ verpacken, Ausgabe 5/2019). Auch wenn diese nicht mit Kosten verbunden sind – an die Bedingungen (z. B. Angabe eines Copyright-Vermerks u. a.) muss sich jeder Nutzer halten.

Wer selbst technische oder kreative Produkte auf den Markt bringt, kann frei entscheiden, ob er sie als Open Source lizenziert. Notwendig hierfür ist aber ein auskömmliches Geschäftsmodell, das garantiert, dass auch anderweitig Einkünfte erzielt werden (z. B. durch Dienstleistungen). Kein Wunder also, dass sich um viele Open-Source-Anwendungen „Biotope“ entwickeln, mit denen sehr wohl Geschäfte gemacht werden. Das ist etwa bei Linux, Android und verschiedenen Content-Management-Systemen für Websites der Fall.

Auch bei Wissenschaftspublikationen ist der Open-Source-Gedanke verbreitet. Hier geht es jedoch nicht darum, an Geschäftsmodelle „anzudocken“, sondern um den freien und möglichst kostengünstigen Zugang zum Stand der Forschung. Triebkraft ist dabei also vor allem der immaterielle Nutzen für Wissenschaftler und Studierende.

Eine bekannte Ausnahme im Bereich Open Source, bei der offenbar kein angeschlossenes Geschäftsmodell existiert, ist das enzyklopädische Webportal Wikipedia. Allerdings sucht das Portal ständig nach Autoren, die Beiträge liefern oder die bestehenden aktualisieren. Das zeigt: Open Source kann als Konzept nicht auf alle Bereiche des menschlichen Schaffens ausgeweitet werden, weil in vielen Fällen die materiellen oder ideellen Anreize fehlen. Hierzu zählt auch das Prinzip der Gegenseitigkeit.

Wo aber Nutzer jederzeit und räumlich unbeschränkt auf ein Werk zugreifen können und wo es gleichzeitig für den Schöpfer des Werkes aufwendig ist, seine Rechte durchzusetzen,  müssen andere, niedrigschwellige Verwertungsmodelle her. Für Bilder beispielsweise existieren solche Modelle bereits: Hier treten Verwertungsportale als makelnde „virtuelle Agenturen“ auf, die den Aufwand der entgeltlichen Lizensierung durch Automatisierung reduzieren. Auch einige Streamingportale für Musik haben neue Angebote geschaffen und das illegale Filesharing wohl zurückgedrängt. Solche virtuellen „Clearinghouses“, also zentrale Abrechnungsstellen, könnten auch für andere Werke ein Teil der Lösung sein. Für einen einfach funktionierenden und fairen Interessenausgleich zwischen Werkschöpfer und -nutzer ist also Kreativität gefragt.

Erschienen in Ausgabe 6/2019 der Zeitschrift creativ verpacken.

Header: Maria Sbytova - AdobeStock