Wann ist eine Milch eine Milch? Oder genauer: Wann darf eine Verpackung sie als solche ausloben und wann nicht?
Die EU-Verordnung 1308/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates hat darauf eine klare Antwort: Kein Produkt, dass nicht aus oder mit tierischer Milch gefertigt wurde, darf demnach den Begriff »Milch« in irgendeiner Weise nutzen. Das schließt alle Flüssigkeiten aus, die womöglich ebenfalls weiß sind, jedoch beispielsweise im Labor, in der Küche, aus Pflanzen oder Samen zubereitet werden. Auch Begriffe wie »Molke«, »Rahm«, »Butter«, »Käse« oder »Joghurt« dürfen gemäß der Verordnung nur für Produkte verwendet werden, die mit tierischer Milch gefertigt wurden. Ausnahmen bestehen keine.
Trotzdem hat auch nach Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 2014 die florierende Milchersatzindustrie in Deutschland weiterhin ihre veganen Produkte angeboten. Darunter die Firma Tofutown. Sie hatte mit Produkten wie »Soyatoo Tofubutter«, »Pflanzenkäse« und »Veggie-Cheese« den Berliner Verein für sozialen Wettbewerb (VSW) auf den Plan gerufen. Der sah in der Verwendung der Produktbezeichnungen wettbewerbswidriges Verhalten und klagte vor dem Landgericht Trier. Der Fall ging bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH): Die Richter wollten von den Kollegen am EuGH insbesondere wissen, ob denn die Nutzung des Begriffs »Milch« oder »Käse« auch dann für rein pflanzliche Speisen unzulässig sei, wenn eine klärender Zusatz wie »Soja« oder »Tofu« hinzugefügt worden war. Der EuGH kam am 14. Juni 2017 zu dem Urteil, dass »Milch« allein Produkten aus tierischer Milch vorbehalten ist. Begriffe wie »Käse« oder »Butter« dürfen ebenfalls nicht genutzt werden, wenn sie nicht aus tierischer Milch bestehen. Eine enge Auslegung der besagten EU-Verordnung also und eine klare Absage an »Veggie-Cheese« und ähnliche Wortschöpfungen.
Das Beispiel ist eine von vielen juristischen Spitzfindigkeiten. Die meisten machen durchaus Sinn, weil sie zum Beispiel den Verbraucher schützen oder fairen Wettbewerb gewährleisten. Im Fall von Tofutown wäre eine Irreführung des Verbrauchers aber wohl nicht zu befürchten gewesen. Warum also das pflanzliche Ersatzprodukt nicht den gleichen Namen wie das zu ersetzende tierische tragen darf, solange Zusätze wie »Soja« beigefügt werden, mag nicht einleuchten.
Was folgt daraus? Welche Marketingstrategien sind denkbar für eine Milch, die diesen Namen nicht tragen darf?
Ein möglicher Ansatz ist die Gestaltung: So mag der Begriff »Milch« tabu sein, nicht aber das Konzept Milch mit seiner lkonografie. Verpackungen ebenso wie Werbung, Aufmachung und Erkennungszeichen verbleiben zur freien Verwendung. Eine Sojamilch etwa in einem für Milch typischen Getränkekarton anzubieten und mit Kaffeetassen oder Milkshake-Bechern zu bedrucken, dürfte unproblematisch sein und Kunden gegenüber ausreichend deutlich machen, dass sie das Produkt anstelle von Milch verwenden können. Ähnliches gilt auch für andere Ersatzprodukte wie Tofukäse: Warum sollte dieser nicht etwa in käsetypischer Radform angeboten werden? Wer es allerdings übertreibt, riskiert in den Bereich des Irreführungsverbots zu geraten. Hier wäre in jedem Fall ein gesonderter deutlicher Hinweis auf rein pflanzliche Inhaltsstoffe angebracht.
Erschienen in Ausgabe 2/2019 der Zeitschrift creativ verpacken.
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