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  • Dr. Reinhard Fischer

Nachahmungsschutz ist Typfrage

Ob Getränkeflasche oder Konservendose: Klassische Waren- o-der Verpackungsformen lassen sich in der Regel nicht vor Nachahmung schützen. Hersteller müssen daher bei der Gestaltung kreativ sein.

Was macht einen Stuhl zum Stuhl, eine Flasche zur Flasche? Jeder hat hier wohl eine bestimmte Vorstellung: Einem Stuhl werden vor allem Beine, Sitzfläche und Rückenlehne zugeschrieben. Eine Flasche assoziiert man in erster Linie mit einem zylindrischen Körper, der sich nach oben hin verengt. Solche typischen Waren- und Verpackungsformen lassen sich durch gewerbliche Schutzrechte grundsätzlich nicht gegen Nachahmung schützen. Denn ihre Merkmale sind für das Produkt technisch erforderlich oder den Verbrauchern schon seit Langem bekannt, daher soll es jedem Hersteller freistehen sie zu verwenden. Besonders streng wird dieser Grundsatz im Markenrecht behandelt, wenn es um Merkmale geht, die das Wesen der jeweiligen Ware ausmachen. Hierzu zählt vor allem die Form von Naturprodukten (z. B. Äpfel). Für solche Warenformen ist generell kein Schutz möglich. Auch wenn eine Waren- oder Verpackungsform mit der typischen Grundform zwar nicht übereinstimmt, ihr aber deutlich ähnelt, ist ein Schutz für sie grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt bei Verpackungen vor allem dann, wenn die betreffende Form als handelsüblich angesehen werden kann. Die klassische Konservendose wäre ein Beispiel dafür.

Was sich abhebt, hat gute Chancen

Wie also kann ein Unternehmen dafür sorgen, dass es für eine bestimmte Waren- oder Verpackungsform Schutz bekommt? Indem es darauf achtet, dass die Gestaltung erheblich von der Norm und dem handelsüblichen Erscheinungsbild abweicht. Dem Unternehmen Ferrero ist das zum Beispiel mit dem Kinderriegel gelungen: Er ist als Marke für Schokolade geschützt. Auch der Maggi-Flasche wurde der Markenschutz zugesprochen.Schwieriger wird es, wenn die Formenvielfalt in einem Warenbereich ohnehin schon recht groß ist: So existieren für Pralinen die unterschiedlichsten Variationen auf dem Markt. In solchen Fällen stellt die Rechtsprechung für den Markenschutz besonders hohe Anforderungen an die Unterscheidbarkeit eines Produktes. Für einen Hersteller ist es hier also vergleichsweise kompliziert, eine Form zu finden, die sich von allen anderen bestehenden abhebt und damit als Marke geschützt werden kann (zeitlich beschränkter Designschutz bleibt ggf. auch bei geringen Abweichungen möglich). Immerhin: Es besteht die Möglichkeit, Markenschutz für „verkehrsdurchgesetzte“ Waren- oder Verpackungsformen zu bekommen, auch wenn sie sich von Hause aus nicht hinreichend vom Marktüblichen unterscheiden. Verkehrsdurchsetzung bedeutet, dass sich das Produkt auf dem Markt etabliert hat, dass also potenzielle Kunden die betreffende Form mit nur einem Unternehmen verbinden. Als sicherste Nachweismethode gilt hierfür die demoskopische Befragung, etwa durch ein spezialisiertes Marktforschungsinstitut. Dabei äußert sich eine repräsentative Zahl potenzieller Kunden zur Bekanntheit der Marke und zu der Frage, ob sie diese Marke einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Hier gelten recht hohe Anforderungen: So müssen in der Regel mindestens 50 Prozent der Befragten die Marke einem bestimmten Unternehmen zuschreiben. Das Unternehmen selbst muss dabei allerdings nicht konkret benannt werden.

Damit sich ein Produkt aber erst einmal auf dem Markt durchsetzt, müssen Unternehmen im Vorfeld viel Marketingaufwand betreiben. Wer dann bei der Schutzrechtsanmeldung zunächst keinen Erfolg hat, hat aber womöglich eine Chance beim Nachweis der Verkehrsdurchsetzung. Eine demoskopische Befragung kann hier unter Umständen gut angelegtes Geld sein – und eine sinnvolle Maßnahme, um das eigene Produkt doch noch effektiv vor Nachahmern zu schützen.
 

Erschienen in Ausgabe 7/2015 der Zeitschrift creativ verpacken.
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