• Dr. Natalie Kirchhofer, Svenja Schwandt & Dr. Lauren Schweizer

Mehr Weitsicht bitte!

Wer die Aussetzung von Impfstoff-Patenten fordert, verkennt eine wichtige Aufgabe von Schutzrechten.

Heute (16.02.2022) gab es im Deutschen Bundestag einen Expertenstreit über die Freigabe von Impfstoff-Patenten.

Wie entsteht eigentlich eine Erfindung? Meist ist sie das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem verschiedene Akteure partnerschaftlich zusammenarbeiten. Ein großer Anreiz, um diesen Prozess für alle Beteiligten in Gang zu halten, stellen häufig technische Schutzrechte in Form von Patenten dar. Durch sie verfügen Unternehmen und Forschungseinrichtungen über ein befristetes Monopol auf ihre Erfindung. Damit sind sie in der Lage, auch langfristig wirtschaftlich zu arbeiten.

Gut, könnte man argumentieren, aber spätestens bei Impfstoffen, die der weltweiten Verbreitung eines Virus ein Ende bereiten könnten, sollte das Argument der Wirtschaftlichkeit doch wohl fallengelassen werden – und mit ihm gleich der Patentschutz! Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Und sinnvoll schon gar nicht.

Wer an künftige Generationen denkt, wird erkennen, dass diese nicht nur mit einer gewaltigen Klimakatastrophe, sondern immer wieder auch mit gesundheitlichen Leiden und damit wahrscheinlich auch mit weiteren Pandemien konfrontiert sein werden. Die gute Nachricht: Die Erforschung und die Entwicklung von Impfstoffen und anderen Medikamenten sind heute schon auf einem sehr hohen Niveau. Was neue medizinische Produkte angeht, so wird deren Entwicklung in Zukunft jedoch nur voranschreiten, wenn es Anreize gibt, die die Investitionsbereitschaft in diese Produkte fördern. Bleiben diese Anreize aus, weil etwa der Patentschutz für Impfstoffe ausgesetzt wird, gerät auch die Entwicklung dieser Impfstoffe ins Stocken und deren weltweite Verfügbarkeit nimmt ab. Ein Szenario, das insbesondere ärmere Staaten treffen würde.

Hinzu kommen ganz praktische Probleme: Weniger industrialisierte Länder verfügen meist nicht über die nötige pharmazeutische Infrastruktur, um Impfstoffe in ausreichendem Maße herzustellen. Zu beklagen ist etwa der Mangel an Produktionswerkstätten, Material und vor allem Fachpersonal in ärmeren Ländern. Mit einem Aussetzen des Patentschutzes wäre also niemandem geholfen, da die Probleme anderswo liegen.

Natürlich ist die Ausweitung der Impfstoffproduktion und -verteilung in ärmere Länder dringend erforderlich. Aber eben so, dass wichtige Qualitäts- und Sicherheitsstandards zum Wohl der Gesundheit gewahrt bleiben. Hier sind Lizenzen auf freiwilliger Basis ein sinnvoller Weg. Durch sie wird Wissen geteilt, gleichzeitig aber auch dessen Weiterentwicklung gefördert.

Zwangslizenzen hingegen, die ebenso wie die Aufhebung des Patentschutzes vielfach gefordert werden, gehen an der Realität vorbei. Solche Lizenzen, die zu einer staatlich angeordneten Beschränkung der Wirkung eines Schutzrechts führen, hätten zur Folge, dass der Eigentümer des jeweiligen Schutzrechts seine Vorrechte nicht oder nur eingeschränkt geltend machen kann. Nur: Bisher hat jedoch noch niemand eine solche Zwangslizenz beantragt, d. h. es gibt aktuell niemanden, der Impfstoffe überhaupt gegen den Willen der Patentinhaber produzieren möchte. Die Verteilung der Impfstoffe scheitert nicht an Verbotsrechten der Patentinhaber.

Der Schutz geistigen Eigentums ist eine Errungenschaft, die wir bewahren sollten. Und zwar nicht obwohl, sondern gerade weil wir Verantwortung tragen – gerade auch für nachfolgende Generationen. Patenten kommt dabei eine enorme Bedeutung zu: als wertvolle Informationsquelle und als Treiber für die Forschung, um die Probleme unserer Gesellschaft auch in Zukunft angehen zu können.

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