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  • Mathias Karlhuber, Dr. Natalie Kirchhofer

Große Beschwerdekammer des EPA überprüft neue Videokonferenz-Regelung

C&F stellt rechtliche Grundlage weiter stark infrage

Düsseldorf, 16. Februar 2021 – Nach dem Beschluss des Europäischen Patentamts (EPA), mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern auch ohne die Zustimmung der Beteiligten als Videokonferenz abzuhalten (vgl. C&F-Pressemitteilung vom 22. Dezember 2020), regt sich nun Widerstand: Eine Beschwerdekammer des EPA hat angekündigt, die Große Beschwerdekammer (GBK) um Überprüfung zu bitten (T1807/15, EP04758381.0). Dies könnte dazu führen, dass als Videokonferenz anberaumte mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern nicht mehr durchgeführt oder zumindest solange ausgesetzt werden, bis es zu einer Entscheidung der GBK gekommen ist oder bis Präsenzverhandlungen wieder uneingeschränkt möglich sind.

Am 10. November 2020 hatte das EPA entschieden, dass mündliche Verhandlungen in erstinstanzlichen Einspruchsverfahren ab dem 4. Januar 2021 auch ohne das Einverständnis der Beteiligten als Videokonferenz stattfinden dürfen. Ergänzend dazu hatten die Beschwerdekammern des EPA am 15. Dezember 2020 mitgeteilt, dass dies ab dem 1. Januar 2021 auch für mündliche Verhandlungen in zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren gilt. Diese Regelung soll durch einen neuen Artikel (15a) in der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern verankert werden. Am 23. März 2021 will der EPA-Verwaltungsrat darüber entscheiden. Den Beschwerdekammern zufolge stellt diese neue Bestimmung jedoch lediglich eine bereits bestehende Möglichkeit dar: Demnach könnten die Kammern schon jetzt darauf verzichten, für die Durchführung von Videokonferenzen das Einverständnis der Beteiligten einzuholen.

„Wir begrüßen es, dass die vom EPA und den Beschwerdekammern erlaubte Vorgehensweise nun von der höchsten Beschwerdeinstanz des EPA überprüft wird“, sagt Mathias Karlhuber, Patentanwalt und Partner von Cohausz & Florack (C&F). „Die Teilnahme an Videokonferenzen sollte nicht erzwungen werden dürfen.“ Nach Einschätzung der Kanzlei ist es fraglich, ob überhaupt eine rechtliche Grundlage für die Verpflichtung zu Videokonferenzen existiert. „Die Vorlage an die GBK kommt daher für uns nicht überraschend, aber gerade noch rechtzeitig vor der Entscheidung des EPA-Verwaltungsrats“, sagt Dr. Natalie Kirchhofer, Patentanwältin und Partnerin von C&F.

Das Abhalten von Videoverhandlungen gegen den Willen der Parteien war zuvor bereits auf große Kritik gestoßen. C&F rechnet nun angesichts der angekündigten Überprüfung durch die GBK damit, dass auch die juristische Fachwelt – zum Beispiel in Form von Amicus-Curiae-Briefen – deutlich Stellung bezieht.

 

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