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  • Gottfried Schüll, Dr. Natalie Kirchhofer

EPA-Videokonferenzregelung: Große Beschwerdekammer prüft Befangenheitsanträge und zieht erste personelle Konsequenzen

Düsseldorf, 27.05.2021 – Sind mündliche Verhandlungen vor dem Europäischen Patentamt (EPA) per Videokonferenz zulässig, ohne dass die Parteien ihre Zustimmung geben müssen?

Mit dieser Frage setzt sich die Große Beschwerdekammer (GBK) des EPA derzeit im Fall G 1/21 auseinander (vgl. C&F-Pressemitteilung vom 26. April 2021). Am 17. Mai 2021 hat die GBK eine Zwischenentscheidung getroffen, die sich mit den eingegangenen Befangenheitsanträgen befasst: Aus Sicht der GBK ist in der Tat die Annahme gerechtfertigt, dass Befangenheitsgründe vorliegen, da der Präsident der Beschwerdekammern in seiner Funktion Vorsitzender der GBK und zugleich administrativer Leiter der Kammern ist. Er könnte daher verpflichtende Videokonferenzen allein aus dem Grund befürworten, um sein eigenes Handeln nicht in Zweifel zu ziehen. Denn die Frage, ob das Abhalten von Videokonferenzen ohne Zustimmung der Parteien mit Artikel 116 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) vereinbar ist, schien schon durch den von ihm zur Ergänzung der Verfahrensordnung vorgeschlagenen Artikel 15a positiv beantwortet worden zu sein. Eine ähnliche Argumentation wurde in mehreren Amicus Curiae Briefen entwickelt. Auch Cohausz & Florack (C&F) hatte gemeinsam mit weiteren renommierten deutschen Patentanwaltskanzleien in dieser Form Stellung bezogen.

Die Zwischenentscheidung der GBK hat zur Folge, dass der Vorsitzende und ein weiteres Mitglied ersetzt werden. Zwei weitere Personen verbleiben jedoch in der Kammer, obwohl diese ebenfalls Präsidiumsmitglieder der Beschwerdekammern sind. Für C&F sind diese Maßnahmen wenig konsequent: „Um Vorwürfen der Befangenheit zu entgehen, wäre ein kompletter Austausch der Kammermitglieder ratsam und sinnvoll gewesen“, sagt Gottfried Schüll, Patentanwalt und Partner von C&F.

Am 28. Mai 2021 findet die Verhandlung vor der GBK statt, in der abschließend über die Frage entschieden wird, ob die verpflichtende Teilnahme an Verhandlungen per Videokonferenz ohne Zustimmung der Parteien zulässig ist.

 

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