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  • Dr. Arwed Burrichter, Mathias Karlhuber, Dr. Natalie Kirchhofer

EPA-Beschluss zu mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz

Kritik von C&F: „Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung ist durch nichts zu ersetzen“

Düsseldorf, 12. November 2020 – Für mündliche Verhandlungen im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA), die ab dem 4. Januar 2021 stattfinden, ist nicht mehr das Einverständnis der Beteiligten für die Durchführung als Videokonferenz erforderlich. Das hat das EPA am 10. November 2020 bekanntgegeben. Der Beschluss ist Teil eines am 4. Mai 2020 gestarteten Pilotprojekts. Als Reaktion auf die coronabedingten Kontakt- und Reisebeschränkungen führt das EPA mündliche Verhandlungen seit dem 1. April 2020 vor Prüfungsabteilungen und seit dem 4. Mai 2020 auch vor den Einspruchsabteilungen als Videokonferenz durch. In den besonders wichtigen zweiseitigen Einspruchsverfahren war die Durchführung der mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz bislang von der Zustimmung der Parteien abhängig.  

Mit dem jüngsten Beschluss wurde diese Regelung nun gekippt. Das EPA begründet dies mit dem effektiven Zugang zum Recht. Zudem soll verhindert werden, dass die Zahl der unerledigten Einsprüche weiter steigt. Zuletzt waren alle vor Ort und in Person stattfindenden Einspruchsverhandlungen bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt worden.

Ob eine ähnliche Anordnung auch für mündliche Verhandlungen in der zweiten Instanz erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Bislang setzen die Beschwerdekammern des EPA nach Einschätzung von Cohausz & Florack (C&F) noch auf Freiwilligkeit und zeigen sich flexibel, was auch das Abhalten von hybriden Verhandlungen betrifft (d. h. Veranstaltungen, bei denen ein Teil der Parteien oder nur deren Vertreter vor Ort sind und die übrigen Beteiligten per Video zugeschaltet werden).

C&F steht der Verpflichtung zur Verhandlung per Videokonferenz kritisch gegenüber: „Wir haben inzwischen viel Erfahrung mit der Videokonferenzverhandlung in Einspruchsverfahren vor dem EPA gesammelt. Die Praxis hat gezeigt, dass gerade in wichtigen Fällen die Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung durch nichts zu ersetzen ist“, sagt Mathias Karlhuber, Patentanwalt und Partner von C&F. Neben technischen Problemen, etwa infolge einer instabilen Internetverbindung bei manchen Vertretern, sei vor allem der fehlende direkte Blickkontakt zu bedenken: „Für die Argumentation und deren Wirkung auf das Gegenüber ist dieser oft ganz entscheidend“, so Karlhuber weiter. Auch schienen die Aufmerksamkeitsspanne und das Aufnahmevermögen bei Verhandlungen am Bildschirm geringer zu sein als bei Präsenzverhandlungen.

C&F geht davon aus, dass durch die geplanten Regelungen der schriftliche Vortrag der Parteien im Einspruchsverfahren an Bedeutung gewinnt: „Dieser wird in Zukunft noch wichtiger sein, um die Einspruchsabteilung vom eigenen Standpunkt zu überzeugen und auf deren günstige vorläufige Meinung vor der Verhandlung hinzuarbeiten“ sagt Dr. Arwed Burrichter, Patentanwalt und Partner bei C&F. „Die Aussichten, eine negative vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung zu seinen Gunsten drehen zu können, sind aus unserer Sicht in einer Videoverhandlung deutlich geringer als in einer konventionellen Präsenzverhandlung“, so Burrichter.  

Laut EPA sollen mündliche Verhandlungen vor Prüfungs- und Einspruchsabteilungen künftig nur dann in den EPA-Räumlichkeiten durchgeführt werden, wenn ernsthafte Gründe gegen eine Durchführung als Videokonferenz sprechen (z. B. eine nachgewiesene Sehschwäche oder die Notwendigkeit zur Vorführung eines Objekts). C&F gehen diese Ausnahmeregelungen nicht weit genug: „Zumindest bei besonders wichtigen oder hochkomplexen Verhandlungen sollte das EPA auf Antrag hin eine Ausnahme von der geplanten Pflicht zur Videoverhandlung machen“, sagt Dr. Natalie Kirchhofer, Patentanwältin und Partnerin von C&F. Die Abstands- und Hygieneregeln könnten in entsprechend großen Verhandlungsräumen erfahrungsgemäß leicht umgesetzt werden. Auch die Durchführung von Hybridverhandlungen zur Reduktion der Teilnehmer sei möglich. „Dies entspräche den Vorgaben zum Infektionsschutz – und wäre gleichzeitig ganz im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes“, so Kirchhofer.

 

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