Wohnzimmer mit großflächiger Strand-Fototapete an der Wand, moderner Einrichtung und natürlicher Lichtstimmung
  • Dr. Reinhard Fischer

Eine Tapete kommt groß raus

Ein Wandschmuck wird mehrfach fotografiert – und zum Gegenstand eines beeindruckenden Verfahrens zum Thema Urheberrechtsverletzung.

Wir leben in einer visuellen Welt. Immer mehr Informationen werden heute durch Bilder kommuniziert. Vor allem auf Social Media sind sie eine wichtige Währung. Unternehmen, Influencer und andere Gewerbetreibende benutzen sie für ihre Werbebotschaften. Und auch Privatpersonen fluten das Netz mit Fotos. Vom Strandurlaub, vom selbstgemachten Käsekuchen … Man kennt das ja. Was aber, wenn es sich dabei um fremde urheberrechtsgeschützte Leistungen handelt, die für eigene Zwecke genutzt werden? 

Ein interessanter Fall aus der Rechtsprechung: Da hatte ein Fotograf seine Bilder als Fototapete vermarktet und verkauft. Verschiedene Kunden setzten Fotos dieser Tapete ein, um wiederum ihre eigenen Dienstleistungen zu bewerben. So stellte das Restaurant eines Tenniscenters Fotos des Gastraums auf seine Website. Darauf zu sehen: die Fototapete. Die Mediaagentur des Tenniscenters verwendete die Fotos ihrerseits als Referenz. Noch dazu stellte eine Beraterin Videos von ihren Räumlichkeiten auf Social Media ein, in denen die besagte Tapete zu sehen war. Und auch ein Hotel, das seine Zimmer mit dem Wandschmuck gestaltet hatte, veröffentlichte Fotos davon auf seiner Website.

Dies alles gefiel dem Fotografen nicht. Ebenso wenig der von ihm gegründete Bildrechte-Agentur, die nun seine Urheberrechte geltend machen wollte. Sie klagte in diversen Verfahren sowohl vor dem Landgericht Köln als auch vor dem Landgericht Düsseldorf und forderte in einigen Fällen Schadensersatz im niedrigen vierstelligen Bereich – angesichts des (in einem Fall überlieferten) Kaufpreises von 13,50 Euro für die Fototapete eine recht hohe Summe – sowie die Erstattung von Abmahnkosten.

Die Kölner Richter urteilten, dass eine Urheberrechtsverletzung vorlag, gaben also dem Fotografen recht. Sie hielten sich dabei an den sogenannten Zweckübertragungsgrundsatz, nach dem ein Urheber immer nur so viele Rechte einräumt, wie es für den Vertragszweck erforderlich ist. Die Veröffentlichung von Bildern der Fototapete im Internet sah das Gericht vom Vertragszweck nicht erfasst. Das Landgericht Düsseldorf war in vergleichbaren Fällen jedoch anderer Auffassung: Das Fotografieren einer dekorierten Räumlichkeit und das Hochladen der Aufnahmen seien übliche Nutzungshandlungen, die vorhersehbar seien und mit denen ein Urheber rechnen müsse. 

Köln und Düsseldorf, die beiden Städte-Rivalen, standen sich also auch hier wieder uneinig gegenüber. Der Bundesgerichtshof (BGH) kam letztlich zu dem Schluss, der Fotograf habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, da er mit dem Verkauf der Tapete konkludent – d. h. stillschweigend und ohne ausdrückliche Erklärung – in eine Vervielfältigung und Veröffentlichung eingewilligt habe. Dass Fotos und Videos von dekorierten Räumen gemacht und verbreitet werden, stehe „im Einklang mit der Lebenserfahrung“, so die Karlsruher Richter. Die Vervielfältigung sei für einen Urheber vorhersehbar, wenn er sein Werk ohne vertragliche Einschränkungen verkauft. Damit bestätigte der BGH also die Urteile aus Düsseldorf.

Eine gesonderte Begründung lieferten die Richter für die Mediaagentur des Tenniscenters, die nicht der direkte Käufer der Tapete war: Auch Dritte könnten sich auf eine konkludente Einwilligung berufen, „wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind“. Analog dazu handle etwa auch der Mieter einer dekorierten Räumlichkeit nicht rechtswidrig, wenn er den Raum fotografiert und die Fotografie im Internet veröffentlicht. Also auch hier: freie Fahrt fürs Fotografieren und Veröffentlichen der Fototapete.

Die BGH-Entscheidung ist äußerst praxisrelevant: Die Urheberrechte eines Fotografen – schön und gut, aber wer denkt schon an die Urheberrechte am Motiv!? Bei der untrennbar mit Räumen verbundenen Fototapete ist der Fall nun aber klar: Von ihr dürfen Fotos gemacht und ins Netz gestellt werden. Gerade heute, in unserer visuellen Welt, wohl keine Überraschung.

Erschienen in Ausgabe 1/2025 der Zeitschrift creativ verpacken.