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  • Mathias Karlhuber

Das Patentportfolio im Blick

Der Wert eines Unternehmens hängt in vielen Fällen von seinen Patenten und anderen Schutzrechten ab. Das trifft gerade für stark umkämpfte Technologiemärkte zu: Wer in Deutschland langfristig mithalten und den Vorsprung zum Wettbewerb ausbauen möchte, ist darauf angewiesen, seine Produkte rechtlich abzusichern. Auch bei Übernahmen ist es essenziell, die Schutzrechtssituation richtig zu bewerten – ein Punkt, den gerade auch chinesische Investoren beachten sollten.

Die Bedeutung von Schutzrechten belegen auf globaler Ebene die Verletzungsstreitigkeiten von Firmen wie Apple, Samsung oder Google oder auch die spektakulären Verkäufe von Patentportfolios der letzten zehn Jahre (z.B. Nortel oder Kodak), bei denen zum Teil Kaufpreise im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich ausgehandelt wurden. Aber gerade auch Deutschland steht hier mit im Fokus, da es sich innerhalb Europas als der Gerichtsstandort etabliert hat, an dem die meisten Patentverletzungsprozesse geführt werden. So finden große Prozesse mit internationaler Tragweite immer wieder in Deutschland statt, auch unter rein chinesischer Beteiligung, wie die Auseinandersetzungen zwischen ZTE und Huawei in jüngerer Zeit zeigen. Aus gutem Grund: Der Respekt vor den Schutzrechten des Wettbewerbs und die gerichtliche Durchsetzung von Schutzrechten haben in Deutschland eine lange Tradition. Die wirtschaftliche Bedeutung einer gefestigten Schutzrechtsposition im deutschen Wettbewerb sollte daher von chinesischen Investoren nicht unterschätzt werden.

Bewertung der Schutzrechtssituation

Bei Ermittlung eines marktgerechten Preises für ein Technologieunternehmen ist es für den Käufer wie für den Verkäufer ratsam, sich einen Überblick über die Schutzrechtssituation zu verschaffen. Dabei sollte grundsätzlich neben dem Portfolio des Kaufobjekts auch eine Bewertung der Patentsituation der Wettbewerber und des Marktumfelds stattfinden. Warum? Zum Beispiel weil grundlegende Patente eines Wettbewerbers die eigene Handlungsfreiheit erheblich einschränken können. Dann muss ein Unternehmen unter Umständen Lizenzen nehmen, um seine Produkte auf den Markt zu bringen. Noch schwieriger wird es, wenn der jeweilige Wettbewerber weder bereit noch verpflichtet ist, zu akzeptablen Konditionen eine Lizenz zu erteilen.

Das Portfolio des Kaufobjekts

Was bei Verhandlungen in Bezug auf das Portfolio des Kaufobjekts zählt, ist vor allem die Qualität der Schutzrechte – und nicht unbedingt deren Anzahl: Gerade die jüngeren Streitigkeiten aus den Bereichen Telekommunikation und Informationstechnologie haben gezeigt, dass bei einem Konflikt mit einem fi nanziell gut aufgestellten Gegner am Ende doch nur vergleichsweise wenige, dafür aber hochwertige Schutzrechte ausschlaggebend sind. Bemerkenswert ist, dass sich mittlerweile sogar Unternehmen etabliert haben, die solche Streitigkeiten bei guten Erfolgsaussichten finanzieren, sodass auch vermeintlich übermächtige Gegner an Schrecken verlieren können. Für die Bewertung jedes Schutzrechts sind folgende Einflussfaktoren zu prüfen und zu gewichten:

  • Status des Schutzrechts: Sind alle amtlichen Erfordernisse für seinen Bestand erfüllt?
  • Inhaberschaft des Schutzrechts: Ist eine lückenlose Rechtsnachfolge vom Erfinder zum Kaufobjekt gegeben? Der Eintrag hinsichtlich des Inhabers im amtlichen Register hat zwar Wirkung auf die Befugnis, aus dem Schutzrecht gerichtlich vorzugehen, er reicht aber nicht aus, da die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse abweichen können.
  • Verbleibende Laufzeit des Schutzrechts.
  • Rechtsbeständigkeit des Schutzrechts: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es erfolgreich angegriffen wird?
  • Durchsetzbarkeit gegen Wettbewerber: Ist der Nachweis einer Verletzung leicht zu führen? Ist das Schutzrecht mit Rechten Dritter belegt, beispielsweise aus Lizenzverträgen? Können Aspekte wie Verjährung oder Verwirkung eine Rolle spielen?
  • Inhalt des Schutzrechtes: Welchen technologischen Wert hat es bzw. wie hoch ist die Attraktivität des geschützten Gegenstandes am Markt? Sind der Status, die Inhaberschaft und die Laufzeit noch relativ einfach zu prüfen und klar zu gewichten, erfordern die Rechtsbeständigkeit, die Durchsetzbarkeit und der Inhalt komplexe rechtliche und wirtschaftliche Überlegungen, bei denen es naturgemäß zwischen Käufer und Verkäufer zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen kann.

Ziele des Käufers und Wettbewerbsumfeld

Der tatsächliche Wert eines Schutzrechts und sein Einfl uss auf den Kaufpreis hängen zudem wesentlich von den individuellen geschäftlichen Zielen des Käufers ab. Dies muss in die Überlegungen mit einbezogen werden. Bei der Bewertung der Patentsituation des Wettbewerbs sind größtenteils dieselben Aspekte zu berücksichtigen wie bei der Bewertung des eigenen Portfolios. Dabei sollten Risiken durch mögliche Veränderungen des Wettbewerbsumfelds bedacht werden: Wird zum Beispiel durch die Übernahme aus einem bisher vergleichsweise kleinen Marktteilnehmer ein spürbarer Konkurrent, steigt das Risiko, dass Wettbewerber ihre Schutzrechte durchsetzen, um ihren Marktanteil zu verteidigen. Auch der psychologische Aspekt, dass plötzlich ein chinesisches Unternehmen in den Markt drängt, kann hier eine wesentliche Rolle spielen.

Den Wert von Schutzrechten berechnen

Für die Festlegung eines monetären Werts von Schutzrechten existieren in der deutschen Praxis unterschiedliche Berechnungsmethoden, die den tatsächlichen Marktwert mehr oder weniger realistisch abbilden: Ein einfacher, aber wenig empfehlenswerter Ansatz ist die Bewertung auf Basis der Kosten, die bisher für das Schutzrecht entstanden sind. Daneben existieren sogenannte marktorientierte Verfahren, die jedoch eine große Anzahl vergleichbarer Verkäufe voraussetzen, wozu in der Realität meist keine belastbaren Zahlen verfügbar sind. Deutlich aussagekräftiger, wenn auch schwierig zu beziffern, sind sogenannte zahlungsstromorientierte Ansätze, bei denen der Wert des Schutzrechts beispielsweise auf Basis möglicher Lizenzeinnahmen ermittelt wird. Dies ist selbstverständlich einfacher, wenn für das Schutzrecht selbst oder ähnliche Schutzrechte bereits ein solcher Lizenzvertrag existiert. Schutzrechte können über ihre Erlangung und Aufrechterhaltung hinaus auch ein erheblicher Kostenfaktor sein. So regelt das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, welche Vergütung ein Arbeitnehmer für eine solche Erfindung erhält. Diese Vergütung kann je nach wirtschaftlicher Bedeutung der Erfindung sehr hoch sein und die Beträge, die nach chinesischem Recht zu zahlen wären, erheblich überschreiten – auch das gilt es für chinesische Investoren bei Transaktionen zu berücksichtigen.

FAZIT

Die Bewertung von Schutzrechten im Rahmen von Transaktionen ist ein komplexer und aufwändiger Vorgang, den chinesische Investoren jedoch aufgrund des Stellenwerts von Schutzrechten im deutschen Markt auf sich nehmen sollten. Käufer und Verkäufer sollten sich dabei nicht nur über das Portfolio des Kaufobjekts, sondern auch über die Schutzrechte der Wettbewerber einen Überblick verschaffen. Ein entscheidender Faktor für die Bewertung sind die geschäftlichen Ziele des Käufers: Sie können den Preis wesentlich beeinflussen. Noch dazu können sie erhebliche Auswirkungen auf das Wettbewerbsumfeld haben und damit Konflikte mit anderen Marktteilnehmern nach sich ziehen, denn gerade chinesische Wettbewerber werden im deutschen Markt mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen.

 

Dieser Artikel ist erschienen in der Unternehmer-Edition M&A China-Deutschland, Ausgabe Mai 2015.

Bild: Eisenhans - fotolia.com