Das Schutzrechtssystem Deutschlands hat einen guten Ruf. Patente und andere Schutzrechte spielen hier seit über 100 Jahren eine große Rolle. Sie prägen und fördern das wirtschaftliche Wachstum des Landes. Durch die vergleichsweise effizienten und kostengünstigen Verfahren ist Deutschland einer der wichtigsten Standorte für Patentverfahren in Europa.
Verletzungsverfahren und Nichtigkeitsklagen
An den Landgerichten in Deutschland sind spezielle IP-Kammern eingerichtet. Hier werden in erster Instanz Patentverletzungsverfahren verhandelt. Die Nichtigkeitsklage gegen das Patent, die typischerweise als Reaktion auf eine Patentverletzungsklage erhoben wird, erfolgt gesondert vor dem Bundespatentgericht. Bis zur Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit eines Patents kann das Verletzungsgericht sein Verfahren aussetzen.
Die Antwort auf die Frage, welches Gericht zuständig ist, richtet sich in Deutschland nach dem Sitz des Beklagten oder dem Ort, an dem eine Patentverletzung stattgefunden hat. Letzteres ermöglicht es dem Patentinhaber in der Regel, auf besonders kompetente Gerichte zurückzugreifen. Hier haben sich Düsseldorf, Mannheim und München als die maßgeblichen Gerichtsstandorte etabliert.
Einstweilige Verfügungen und Schutzschriften
Anders als in China ist es in Deutschland nicht ungewöhnlich, dass Zivilgerichte einstweilige Verfügungen erlassen – und zwar vor allem dann, wenn das Patent bereits einmal einen Angriff auf seine Rechtsbeständigkeit überstanden hat. Dieses Rechtsmittel nutzen Schutzrechtsinhaber vor allem auf Messen, um gegen Nachahmer-produkte vorzugehen. Wer den Erlass einer solchen einstweiligen Verfügung befürchtet, kann als Abwehrmaßnahme vorab beim zuständigen Gericht eine sogenannte Schutzschrift hinterlegen. Hierin fasst er seine Argumente zusammen, die gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung sprechen. Was die Beweisführung angeht, ist man in Deutschland grundsätzlich weniger stark auf schriftliche und notarielle Dokumente fokussiert als in China. So können Zeugenaussagen in etwa die gleiche Bedeutung haben wie schriftliche Beweisstücke.
Kosten und Dauer von Verfahren
Entscheidungen in erster Instanz treffen die deutschen Zivilgerichte üblicherweise innerhalb von zehn bis 14 Monaten. Wenn diese zugunsten des Patentinhabers ausfallen, führen sie in der Regel zu einem gegen Sicherheitsleistung vollstreckbaren Urteil und dazu, dass die gegnerische Partei Schadensersatz zahlen muss. Wie hoch die Zahlung ausfällt, setzt das Gericht fest. Der Patentinhaber kann dabei zwischen drei Varianten wählen: Lizenzanalogie, Entschädigung in Höhe des entgangenen Gewinns oder Rückerstattung des Gewinns, den der Patentverletzer durch die Verletzung gemacht hat. Erstinstanzliche Entscheidungen zu Patentverletzungen können beim zuständigen Oberlandesgericht angefochten werden. Eine rechtliche Überprüfung kann anschließend noch vor dem Bundesgerichtshof stattfinden.
Über die Rechtsbeständigkeit von Patenten urteilt das Bundespatentgericht im Rahmen von Nichtigkeitsverfahren. Dies geschieht in der Regel innerhalb von 18 bis 24 Monaten. Auch gegen eine solche Entscheidung ist eine Berufung beim Bundesgerichtshof möglich. Die Kosten – sowohl bei Verletzungs- als auch bei Nichtigkeitsverfahren – trägt die unterlegene Partei. Sie richten sich nach den gesetzlichen Vorschriften und werden von dem jeweils zuständigen Gericht festgesetzt. Da Deutschland auf ein lange etabliertes Patentsystem und zahlreiche gerichtliche Entscheidungen zurückgreift, sind die Erfolgsaussichten für die Parteien meist vergleichsweise gut vorhersehbar. Chinesische Unternehmen sollten daher vor dem Eintritt in den deutschen Markt die Patentlandschaft analysieren, um ihre Risiken abzuschätzen.
Patentüberwachung und Einspruchsverfahren
In Deutschland gültige Patente werden vom Deutschen Patent- und Markenamt oder vom Europäischen Patentamt erteilt. Nach der Erteilung besteht die Möglichkeit, hiergegen Einspruch zu erheben. Ein Einspruch muss innerhalb von neun Monaten nach Veröffentlichung der Patenterteilung eingelegt werden. Mit Einsprüchen in erster Instanz befasst sich das jeweilige Patentamt. Dessen Entscheidungen können für ein deutsches Patent beim Bundespatentgericht oder für ein europäisches Patent bei den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts angefochten werden. Die Kosten betragen in beiden Fällen nur einen Bruchteil dessen, was gegebenenfalls später bei einem Nichtigkeitsverfahren anfällt. Hiermit steht also ein kostengünstiges Mittel zur Verfügung, eventuelle Risiken frühzeitig aus dem Weg zu räumen. Eine Maßnahme zur Risikominderung bei einer Investition in Deutschland ist daher die Überwachung der Patentlandschaft beim Deutschen Patent- und Markenamt und beim Europäischen Patentamt. Hiermit bleiben Investoren über die Aktivitäten des Wettbewerbs informiert und können rechtzeitig Einspruch gegen störende Patente einlegen. Maßnahmen wie diese sind in der deutschen Wirtschaft durchaus üblich: Sie sind kein Zeichen von Misstrauen gegenüber der Konkurrenz, sondern für Unternehmen oft ein Mittel, den Markt zu beobachten, die eigene Schutzrechtsstrategie zu pflegen und Risiken auszuschließen.
Due-Diligence-Verfahren
Gerade bei Investitionen in fremde Unternehmen sind Due-Diligence-Prüfungen ein wichtiges Instrument: Mit ihnen lassen sich Risiken im Zusammenhang mit geistigem Eigentum von Dritten rechtzeitig identifizieren und minimieren. Bereits bei der Ermittlung des Kaufpreises sollten chinesische Investoren das Schutzrechtsportfolio des zu erwerbenden Unternehmens untersuchen. Wichtige Faktoren sind etwa der Rechtsstand, die Inhaberschaft, die verbleibende Laufzeit, der Schutzumfang, die Rechtsbeständigkeit und die Durchsetzbarkeit der jeweiligen Patente. Für die Bewertung dieser Faktoren sollten Käufer die nationalen Vorschriften und Maßstäbe berücksichtigen – von der Definition des Stands der Technik bis zur Auslegung von Ansprüchen bei einer Patentverletzung. Eine Besonderheit im deutschen Rechtssystem ist das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG). Es regelt den wirksamen Übergang einer Erfindung vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber. Bei einem Unternehmenskauf kann das ArbnErfG auch im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung hilfreich sein: Ein sorgfältig dokumentierter Prozess im Umgang mit Arbeitnehmererfindungen lässt Rückschlüsse auf mögliche Risiken im Zusammenhang mit den Schutz rechten des zu kaufenden Unternehmens zu.
Dieser Artikel erschien erstmalig in der Plattform M&A-China/Deutschland 4/2018
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