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  • Dr. Natalie Kirchhofer, Dr. Julia Sauerwald

Chemie-Nobelpreis 2020 für Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier

C&F: „Großartiges Beispiel für die Kollaboration von Frauen in der Forschung“

„This year’s Nobel Prize in Chemistry is about rewriting the code of life”. Mit diesen Worten verlieh die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am 7. Oktober den Nobelpreis für Chemie 2020 an Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna. Die Akademie würdigt mit der Auszeichnung die Leistungen der beiden Genforscherinnen, insbesondere die Entwicklung der Genschere CRISPR/Cas: Mit diesem Werkzeug lässt sich die doppelsträngige DNA, in der unser Erbgut gespeichert ist, punktgenau schneiden und damit auch gezielter und schneller verändern als bislang möglich. Dies könnte die Chancen für die Heilung von Krankheiten und für die Behandlung vererbbarer Krankheiten deutlich verbessern.

Bereits vor acht Jahren, am 28. Juni 2012, hatten die französische Wissenschaftlerin Emmanuelle Charpentier, inzwischen Direktorin am Max-Planck-Institut in Berlin, und ihre US-Kollegin Jennifer A. Doudna von der Universität Berkeley in der Fachzeitschrift Science ihre bahnbrechenden Forschungsergebnisse zu der molekularen Maschinerie der sogenannten „CRISPR/Cas9-Genschere“ veröffentlicht. Sie zeigten darin, dass die bakterielle Endonuklease Cas9 durch ein duales oder chimäres RNA-Konstrukt (crRNA:trRNA) für die ortsspezifische DNA-Modifizierung jeder beliebigen DNA-Zielsequenz programmiert werden kann. Dabei erkannten sie bereits das Potenzial des neuen CRISPR/Cas-Systems für die RNA-programmierbare Genomeditierung bei Eukaryoten und höheren Organismen. Die Publikation der beiden Forscherinnen war der Auslöser für alle nachfolgenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der CRISPR/Cas-vermittelten Genomeditierung. Seitdem war die CRISPR/Cas9-Technologie in Wissenschaft und Industrie nicht mehr aufzuhalten. Zuvor verfügbare Genscheren wie Zink-Finger-Nukleasen (ZFNs) oder Transkriptionsaktivator-ähnliche Effektor-Nukleasen (TALENs) waren sowohl in der Herstellung als auch in der Programmierung wesentlich umständlicher. Schnell wurde deutlich, dass die CRISPR/Cas-Technologie von Doudna und Charpentier das Potenzial hatte, den Bereich der Genomtechnik und der menschlichen Gesundheit zu revolutionieren. Zahlreiche Branchen wie die Medizin, die industrielle Biotechnologie oder die Landwirtschaft haben die Anwendungsmöglichkeiten und Chancen der CRISPR/Cas-Technologie längst erkannt.

„Ich freue mich besonders darüber, dass ein Team von zwei Wissenschaftlerinnen den Nobelpreis für Chemie gewonnen hat und damit ein großartiges Beispiel für die Kollaboration von Frauen und für die transatlantische Zusammenarbeit setzt", sagt Dr. Natalie Kirchhofer, Partnerin und Patentanwältin bei Cohausz & Florack. Bislang gab es unter den 185 Nobelpreisträgern für Chemie nur 5 Frauen: Marie Curie (1911) und ihre Tochter Irène Joliot-Curie (1935) bekamen den Preis für ihre Forschung über Radioaktivität, Dorothy Crowfoot Hodgkin (1964) für ihre Arbeit über Protein-Röntgenkristallographie, Ada Yonath (2009) für ihre Arbeit über Ribosomen und Frances Arnold (2018) für ihre Arbeit über die gerichtete Evolution von Enzymen. „Nobelpreisträgerinnen sind wichtige Vorbilder, und wir hoffen, dass der diesjährige Preis dazu beiträgt, noch mehr Mädchen und Frauen zu ermutigen, eine naturwissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen und Erfinderinnen zu werden.“

Bemerkenswert ist, Kirchhofer zufolge, dass die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften den Nobelpreis für die CRISPR/Cas9-Technologie auf Doudna und Charpentier beschränkte. Andere Wissenschaftler, darunter Feng Zhang vom Massachusetts Institute of Technology, der zu den ersten gehörte, die die CRISPR/Cas9-Technologie auf menschliche Zellen anwandten, wurden nicht ausgezeichnet. Zhang führt nicht nur die Zitierlisten bezüglich der CRISPR/Cas9-Technologie an, sondern ist auch einer der prominentesten Konkurrenten der beiden Nobelpreisträgerinnen in einem noch immer andauernden weltweiten Patentstreit. Die diesjährige Nobelpreis-Entscheidung könnte, so Kirchhofer, zumindest psychologisch einen Einfluss auf die laufenden CRISPR-Patentstreitigkeiten in Europa und dem Rest der Welt haben und womöglich auch Gelegenheit für einen umfassenden CRISPR-Patentpool und Vergleichsgespräche bieten.

 

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