Person mit Kopfhörer sitzt an Schreibtisch mit drei Monitoren und arbeitet an 3D-Modellen einer menschlichen Figur in einer Hightech-Umgebung.
  • Eva-Marie Mümken

Bereit für die digitale Welt? Das neue europäische Designrecht

Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen und ihre Bedeutung für die Praxis

Unternehmen und Designer, die regelmäßig Produkte gestalten oder nutzen, haben es künftig mit einigen Neuerungen zu tun: Am 1. Mai 2025 ist der erste Teil der Reform des europäischen Designrechts in Kraft getreten. Die Reform beinhaltet im Wesentlichen die neue Design-Richtlinie (EU) 2024/2823 und die geänderte Unionsgeschmacksmuster-Verordnung (EU) 2024/2822. Mit ihnen wird das europäische Designrecht modernisiert und an eine zunehmend digitale Produktwelt angepasst. Was heißt das konkret?

Neue Definitionen und Begriffe

Die bisherige veraltete Bezeichnung „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wurde in der Verordnung durch „Unionsgeschmacksmuster“ und in der Richtlinie durch „Unionsdesign“ ersetzt. Um der technologischen Entwicklung gerecht zu werden, wurde zudem die Definition der Begriffe „Unionsgeschmacksmuster“ bzw. „Unionsdesign“ und „Erzeugnis“ überarbeitet: Neu ist insbesondere, dass nun ausdrücklich auch digitale Gegenstände geschützt werden können (mit Ausnahme von Computersoftware, deren Schutz sich weiterhin nach dem Urheberrecht richtet).

Erweiterter Schutzbereich: Digitale und dynamische Designs

Der Schutzbereich wurde deutlich ausgeweitet: Bisher konnten durch das Designrecht vorrangig statische Erscheinungsformen von Produkten als Design eingetragen werden. Künftig gilt dies auch für dynamische und rein digitale Erscheinungsformen. Dazu zählen etwa Animationen, Bewegungen, Zustandsänderungen, wechselnde Farb- Lichtmuster, digitale Räume oder Produkte im Metaverse oder in Computerspielen. Voraussetzung ist allerdings, dass diese der Öffentlichkeit zugänglich und sichtbar gemacht werden können. Spannend – und bislang ungeklärt – ist jedoch die Frage, wie Ämter und Gerichte künftig das Verhältnis zwischen statischen und dynamischen Designwiedergaben eines identischen oder ähnlichen Erzeugnisses einordnen werden. Begründet eine dynamische Darstellung möglicherweise die erforderliche Eigenart gegenüber einer statischen Darstellung desselben Produkts? Und: Gilt mit einer dynamischen Anmeldung automatisch jeder Einzelstatus als mitgeschützt?

Reparaturklausel: Mehr Wettbewerb im Ersatzteilmarkt

Eine praxisrelevante Neuerung betrifft Ersatzteile: Bisher konnten durch Designrechte Dritte daran gehindert werden, Nachbauten von sichtbaren Ersatzteilen komplexer Produkte (zum Beispiel dem Kotflügel eines Autos) herzustellen und zu vertreiben. Durch die sogenannte Reparaturklausel werden Inhaber solcher designgeschützten Ersatzteile zukünftig aber eingeschränkt, da die Klausel es Dritten sehr wohl erlaubt, solche Teile herzustellen und zu vertreiben: Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses handelt, dass dieses ausschließlich zur Reparatur des Erzeugnisses zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes verwendet wird und dass es von der Gestaltung des restlichen Erzeugnisses abhängt („must-match“). Hersteller oder Verkäufer derartiger Ersatzteile müssen Verbraucher über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers informieren, zum Beispiel durch eine klare und gut sichtbare Angabe auf dem Ersatzteil.

Hintergrund dieser Klausel ist insbesondere der Green Deal der Europäischen Kommission, wonach der Verbrauch von Rohstoffen reduziert und Abfall minimiert werden soll. Durch die Klausel soll der Wettbewerb im Bereich von Ersatzteilen gefördert werden, um so Reparaturen und die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. In Deutschland wurde bereits eine solche Reparaturklausel im Gesetz eingeführt, sodass hierzulande diesbezüglich keine größeren Änderungen zu erwarten sind. 

Neue Kennzeichnungsmöglichkeit: Das „D im Kreis“

Analog zum bekannten C im Kreis (©) im Urheberrecht wird ein neues Symbol eingeführt: das „D im Kreis“ (ⓓ). Es kann verwendet werden, um auf ein eingetragenes Design hinzuweisen. Dadurch lässt sich der Schutzstatus transparenter kommunizieren, und potenzielle Nachahmer werden womöglich stärker abgeschreckt. 

Kein allgemeines Sichtbarkeitserfordernis

Eine wichtige Änderung der neuen Verordnung betrifft die Frage: Müssen die Merkmale eines Erzeugnisses bei bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar sein, um schutzfähig zu sein? Dies war bislang umstritten. Nun jedoch stellen die beiden reformierten Rechtsakte klar, dass eine ständige Sichtbarkeit für den Designschutz – mit Ausnahme der Sonderregelung zu Bauteilen komplexer Erzeugnisse – nicht erforderlich ist. Schutzfähig ist also beispielsweise auch die Erscheinungsform eines Implantats, das in den Körper eines Patienten eingesetzt wird. Lediglich in der Designanmeldung muss die gesamte zu schützende Erscheinungsform abgebildet werden.

Neue Transitregelung

Neu geregelt wurde auch der Umgang mit der Durchfuhr von Erzeugnissen, die mutmaßlich ein eingetragenes Design verletzen: Künftig kann der Inhaber eines eingetragenen Designs bereits dann gegen solche Produkte vorgehen, wenn sie lediglich durch die Europäische Union oder einzelne Mitgliedstaaten transportiert werden – auch wenn das endgültige Bestimmungsland außerhalb der EU liegt.

Voraussetzung ist, dass ein klarer Designschutz im Transitstaat besteht. In solchen Fällen kann die Durchfuhr untersagt werden, es sei denn, der Transporteur weist im Rahmen eines zollrechtlichen Verfahrens nach, dass im Zielland kein Unterlassungsanspruch aus dem Designrecht besteht. Diese Regelung – analog zur bereits bestehenden Praxis im Markenrecht – stärkt die Position von Rechteinhabern deutlich und trägt zur effektiveren Bekämpfung von Designpiraterie bei.

Neue Gebührenstruktur und Anmeldeverfahren

Durch die Reform wird das Anmeldeverfahren erleichtert, da für die Einreichung von Sammelanmeldungen das „one-class“-Erfordernis abgeschafft wurde und die Designs nicht mehr in dieselbe Locarno-Klasse fallen müssen. Dadurch profitieren Anmelder künftig von den erheblichen Ermäßigungen für Sammelanmeldungen.

Die an das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zu entrichtenden Anmelde- und Eintragungsgebühren werden zu einer einheitlichen Gebühr zusammengefasst. Die Ausgangsgebühr für ein Muster bleibt gegenüber dem derzeitigen Stand gleich. Für Sammelanmeldungen sinkt diese sogar leicht. Die Gebühren für die Verlängerungen des Unionsdesigns wurden allerdings nicht wie geplant gesenkt, sondern erhöht. 

Zeitplan für die Umsetzung

Die neue Verordnung trat zum Teil am 1. Mai 2025 in Kraft, vollständig gilt sie dann ab dem 1. Juli 2026. Die neue Richtlinie muss bis spätestens zum 9. Dezember 2027 in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Unternehmen und Rechteinhaber sollten sich rechtzeitig auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.

Fazit: Ein modernes Designrecht für die digitale Gegenwart

Die EU-Reform des Designrechts bringt nicht nur rechtliche Änderungen mit sich, sondern setzt auch ein klares Signal: Designschutz spielt auch in Zukunft eine starke Rolle – im physischen wie im digitalen Raum. Unternehmen und Designer erhalten durch die Neuregelungen mehr Klarheit, mehr Schutzmöglichkeiten und neue Chancen. Wer frühzeitig reagiert und die eigenen Designstrategien entsprechend optimiert, kann sich so langfristig im Wettbewerb behaupten.

 

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