Einkaufswagen mit braunen Kartonverpackungen, dekoriert mit grünen Blättern, vor einem natürlichen grünen Hintergrund.
  • Dr. Reinhard Fischer & Eva-Marie Mümken

Aufklären oder schweigen

Immer mehr Unternehmen werben damit, dass sie sich für Umwelt- und Klimaschutz stark machen. Die Frage ist nur, wie das gelingen kann. Ein BGH-Urteil gibt Orientierung.

„Tu Gutes und rede darüber.“ Unter diesem Titel veröffentlichte Georg Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim ein Buch über Public Relations für die Wirtschaft. Das war im Jahr 1961. Heute – in einer Zeit, in der nachhaltiges Wirtschaften glücklicherweise immer selbstverständlicher wird und obendrein an ein positives Image geknüpft ist – scheint es für viele Unternehmen ein Automatismus zu sein, „darüber zu reden“. Auch in der Werbung. Dass dabei jedoch einiges schiefgehen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Rechtsprechung.

So hatte der Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes 2021 in einer Lebensmittelfachzeitschrift mit dem Begriff „klimaneutral“ geworben. In der betreffenden Anzeige hieß es: „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.“ Auf der abgebildeten Packung waren das Logo „klimaneutral“ und ein QR-Code zu sehen, über den man auf die Website des Partnerunternehmens ClimatePartner gelangte. Wer sich hier durchklickte, erfuhr, dass das Unternehmen seine Emissionen durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten kompensierte – also nur rein rechnerisch ohne Treibhausgase auskam. Die Produktion der Fruchtgummis selbst erfolgte jedoch keineswegs klimaneutral.

Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte in seinem Urteil vom 27. Juni 2024 diese Art der Werbung für unzulässig, da sie für Verbraucherinnen und Verbraucher irreführend sei. Ebenso wie im Gesundheitsbereich sei auch bei umweltbezogener Werbung die Gefahr einer solchen Irreführung groß. Hier bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt der Begriffe. Wenn ein mehrdeutiger Begriff wie „klimaneutral“ verwendet werde, müsse er nach Auffassung der Richter grundsätzlich bereits in der Werbung selbst erklärt werden. Hinweise außerhalb der Werbung – in diesem Fall also durch den QR-Code zur Website des Partnerunternehmens – reichten insbesondere nicht aus, wenn „Klimaneutralität“ für Produkte allein durch Kompensationsmaßnahmen und nicht durch die Reduktion von Treibhausgasen bei der Produktion erreicht wird. Der BGH stellte auch heraus, dass diese beiden Maßnahmen nicht gleichwertig seien. 

Unternehmen, die ihre Produkte künftig mit dem Begriff „klimaneutral“ vermarkten möchten, sollten sich also über ihre Aufklärungspflicht im Klaren sein: Sie müssen grundsätzlich in der Werbung selbst erklären, was konkret hinter dem Begriff steckt, und Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel über Produktionsbedingungen oder den Erwerb von Zertifikaten informieren.

Dass Kompensationslabels wie „klimaneutral“ zu einer fälschlich positiveren Wahrnehmung der Klimaauswirkung von Lebensmitteln führen, bestätigte kürzlich eine Studie der Universität Göttingen im Auftrag der Verbraucherzentrale. Die Krux ist jedoch: Dieser „Greenwashing-Effekt“ bleibt bestehen, selbst wenn der Begriff „klimaneutral“ auf dem Label erklärt wird. Detailliertere Erklärungen und numerische CO2-Fußabdrücke könnten laut Studie gar dazu führen, dass Produkte mit einem höheren Klima-Fußabdruck weniger kritisch bewertet werden. Die Forscher halten daher eine verpflichtende Ampelkennzeichnung für hilfreich. „Diese könnte die Vergleichbarkeit erhöhen und nicht nur klimafreundliche Produkte hervorheben“, sagt die Leiterin der Studie Dr. Anke Zühlsdorf. „Ein erster Schritt könnte zunächst ein Verbot der produktbezogenen Werbung mit Klimaneutralität sein.“ 

Aktuelle Gesetzgebungsinitiativen in der EU gehen bereits in die Richtung, die Anforderungen an die Umweltwerbung weiter zu verschärfen. Bis dahin gilt für Unternehmen aber bereits die rechtliche Maßgabe, dass sie das, was sie fürs Klima tun, möglichst konkret kommunizieren sollten. Oder gar nicht.

Erschienen in Ausgabe 8/2024 der Zeitschrift creativ verpacken.

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