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  • Gottfried Schüll

Arbeitsgerichtsbarkeit am EPA, jetzt!

Das Europäische Patentamt (EPA) muss sich seit Jahren schweren Vorwürfen zu Mobbing und Menschenrechtsverletzungen stellen. Ein Artikel aus dem Debatten-Magazin Cicero schildert erneut besorgniserregende Details.

Dass es am Europäischen Patentamt (EPA) große rechtsstaatlich-demokratische Defizite und Menschenrechtsverletzungen gegeben habe, hat Prof. Dr. Siegfried Broß, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, bereits in einem Interview mit C&F beklagt. Ein Artikel aus dem Debatten-Magazin Cicero von März 2018 unterstreicht nun die Aussage des Experten. Der Text befasst sich mit den Folgen der rechtlichen Immunität internationaler Organisationen und führt verschiedene Fälle von Willkür und Mobbing auf. Insbesondere die Verfehlungen des EPA stellt die Autorin Petra Sorge beispielhaft dar. Unter anderem am Fall eines Richters, der jahrelang für die Beschwerdekammer des EPA gearbeitet hatte und im Dezember 2014 verdächtigt wurde, interne Informationen weitergegeben und Spitzenpersonal verleumdet zu haben. Die Investigative Unit, eine Ermittlungseinheit des EPA, habe laut Cicero-Recherchen heimlich E-Mails und PCs des Mitarbeiters überwacht und dabei auch Unbeteiligte mit einbezogen. Das Fazit der Spurenanalyse des EPA waren, so schreibt Sorge, „zahlreiche E-Mails an Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Journalisten oder das Europäische Parlament“, die der Mitarbeiter verfasst und darin „vor ‚Korruption auf hoher Ebene‘ und ‚Vetternwirtschaft‘ gewarnt“ habe, „von einer ‚Balkan-Affäre‘ um Battistelli (den noch amtierenden EPA-Präsidenten , d. Red.) und Vize Topic“. Der Mitarbeiter habe bestritten, der Verfasser der Mails zu sein – und sollte dennoch auf Anordnung von Battistelli wegen Verleumdung suspendiert werden. Die Richter der Großen Beschwerdekammer des EPA, die die Anträge auf Amtsenthebung für unzulässig erklärten, wurden dabei laut Recherchen massiv von Battistelli unter Druck gesetzt und mit Disziplinarmaßnahmen bedroht. „,Dies untergräbt das Grundprinzip der gerichtlichen Unabhängigkeit‘“ – so zitiert der Artikel die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom Juni 2016. Die Cicero-Autorin schreibt zusammenfassend: „Das Drama spielt auf einer Bühne ohne Scheinwerfer – ein rechtsfreier Raum, weil die Immunität des supranationalen EPA jede juristische Kontrolle ausknipst“.

Grundrechtsverletzungen innerhalb EPA führt der Artikel ebenfalls anhand eines Beispiels auf: So laute eine Vorschrift des Amts, „dass sich Kranke täglich von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr in ihrer Wohnung aufhalten sollen, falls der Amtsarzt klingelt. Wer nicht daheim ist, dem drohen Sanktionen, auch Depressiven oder Burnout-Patienten“. Ein Münchner Rechtsanwalt, der zitiert wird, spricht dabei von Grundrechtsverletzungen, die „das allgemeine Persönlichkeitsrecht“ und „das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung“ betreffen. Ebenso betroffen seien die Belange und die Rechte der Angehörigen.

Zusätzlich zu den rechtsstaatlich-demokratischen Defiziten als Folge des Immunitätskonzepts wird in dem Artikel auch die Arbeitsqualität des EPA stark infrage gestellt. Viele EPA-Patentprüfer hätten inzwischen selbst gewarnt, sie könnten die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr sicherstellen. 924 von ihnen hätten Mitte März einen offenen, aber anonymen, von einem Notar beglaubigten Brief an den Verwaltungsrat geschrieben und darin erklärt, sie würden „viel zu oft in das Dilemma getrieben“, entweder auf hohe Qualität zu achten oder sich dem Befehl ihrer Vorgesetzten zu unterwerfen. Die Angst vor Sanktionen sei groß.

Cicero-Autorin Petra Sorge beschreibt in ihrem Artikel noch weitere beunruhigende Vorgänge am EPA. Dabei ist klar: Auch eine noch so gute Recherche kann nicht die ganze Wahrheit im Detail aufdecken. Fest steht aber, dass es am EPA enorme Verwerfungen gegeben hat und gibt. Mit den dramatischen Auswirkungen gerade auf menschlicher Ebene steht auch das weltweit hervorragende Image einer Organisation auf dem Spiel, die knapp 7.000 Mitarbeiter beschäftigt!

Es ist offensichtlich höchste Zeit für eine ordentliche Arbeitsgerichtsbarkeit fürs EPA. Sie stellt keinerlei Parteinahme dar, im Gegenteil. Eine ordentliche Arbeitsgerichtsbarkeit ist, wie vielfach auf nationaler Ebene nachgewiesen, das geeignete Mittel, um Konflikte zwischen den Beteiligten, hier den Beschäftigten des  EPA und der Amtsleitung, zu vermeiden und zu lösen und in der Zukunft Auswüchse wie die beschriebenen zu verhindern. Dies sollte auch dem Verwaltungsrat und den einzelnen Mitgliedsstaaten zu denken geben. Dass diese bislang untätig geblieben sind, ist schwer verständlich.

 

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